„Die höchste Form der menschlichen Intelligenz ist die Fähigkeit, zu beobachten ohne zu bewerten.“ Jiddu Krishnamurti
„Das soll schwer sein?“ dachte ich beim Lesen des Satzes. Schaffe ich locker.
Mir war nicht klar, dass wir bereits in der Schule dazu aufgefordert werden, alles zu bewerten. Interpretationen und Bewertungen von Geschichten, Gedichten, Bildern oder politischen Situationen sind fast in jedem Schulfach üblich. Da bleibt es nicht aus, dass wir dies in unseren Alltag übertragen.
Momentan findet in Deutschland die Weltmeisterschaft im Handball statt. Als ich mir mit Freunden ein Spiel ansah, sagte meine Freundin: „ Der Michael ist aber ein echt schlechter Spieler“. Weder sie noch ich sind Bundestrainer, um dies beurteilen zu können. Was hatten wir gesehen? In dem Spiel hat der Spieler Michael kein Tor geworfen. Das ist natürlich nicht gut, denn letztlich geht es um das Gewinnen. Vielleicht hat er aber auch viele Spielzüge vorbereitet, dass dadurch die anderen Spieler die Möglichkeit hatten, ein Tor zu werfen. Das vermag ich nicht zu sagen.
Ihre Beobachtung war: Michael hat kein Tor geworfen.
Die Bewertung war: Michael ist ein schlechter Spieler.
In der gewaltfreien Kommunikation ist der erste Schritt, dass wir die Beobachtung und die Bewertung auseinander halten.
Wörter wie immer, nie, jedes Mal weisen häufig auf eine Bewertung hin.
„Immer telefonierst du so lange“ Beobachtung: „Heute hast du 1 Stunde mit dem Kunden telefoniert“.
„Nie bringst du den Müll raus“ Beobachtung: „ In den letzten 3 Wochen hast du den Müll nicht rausgetragen“
Hinter jeder Aussage steckt ein Bedürfnis. Wenn die Beobachtung ist: ,,Nie bringst du den Müll raus“, dann soll es bestimmt heißen: ,,Entsorge bitte den Müll“. Bei den Schritte der Gewaltfreien Kommunikation wär ein Gespräch möglicherweise so verlaufen:
A: ,,In den letzten 3 Wochen hast du den Müll nicht rausgetragen“. B: ,,Oh ja, das stimmt.“ A: ,,Ich bringe den Müll auch nicht gerne weg. Was hälst du davon, wenn wir uns wöchentlich abwechseln“. B:,,Du hast recht. Das sollten wir uns teilen. Ich habe es einfach vergessen. Es tut mir leid. In Zukunft werde ich darauf achten und wir erledigen diese Aufgabe wieder gemeinsam“.
Bei meinen letzten beiden Besuchen meiner Freundin hatte ich jedes Mal etwas bei ihr liegen lassen. Als ich mich gestern nach einem Besuch bei ihr verabschiedetet fragte sie: „Hast du nichts vergessen?“ Ich antwortetet etwas pikiert: „Als ob ich immer etwas vergesse“ Ihre Antwort war augenzwinkernd: „ Denk an die Beobachtung ohne zu bewerten. Ich fragte nicht: Hast du wieder etwas vergessen“, sondern nur: ,,Hast du nichts vergessen“. Beobachte ohne zu bewerten….
Da habe ich gelacht und schnell noch meine Handschuhe eingesteckt. Ich hätte sie sonst vielleicht noch vergessen 😉
Ich wünsche uns allen viel menschliche Intelligenz.